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Raus aus der Filterblase? Rein ins Leben!

Schlaue Algorithmen finden heraus, was uns interessiert und zeigen uns immer mehr davon – und schwupps, schon landen wir in der Filterblase. In einer Art virtueller Echokammer, in der wir tausendfach nur unsere eigenen Interessen und Meinungen widergespiegelt bekommen und darüber gar nicht mehr wahrnehmen, was „da draußen“ im Netz und in der Gesellschaft sonst so passiert. Die schlauen Algorithmen machen uns also dumm und ignorant und tragen zur Spaltung der Gesellschaft bei.

Soweit die Theorie.

Aber stimmt sie überhaupt?

Filtern ist an sich eine feine Sache

Die Welt ist groß, und dauernd passiert darin etwas. Was für ein Glück, dass all diese Informationen nicht ununterbrochen gleichzeitig auf uns einprasseln – das wäre nämlich zum Verrücktwerden. Wir filtern Informationen aus unserer Umwelt ganz automatisch. Das ist gut so, denn nur das Filtern erhält uns lebens- und handlungsfähig.

Gesamtgesellschaftlich betrachtet ist es die Aufgabe der Medien, Informationen zu filtern, einzuordnen und aufzubereiten, damit wir als Bürgerinnen und Bürger alles erfahren, was für unser Gemeinwesen wichtig ist. Das ist keine einfache Aufgabe, da passieren manchmal auch Fehler. Aber im Großen und Ganzen haben wir eine sehr vielfältige Medienlandschaft, in der ich mich umfassend und ausgewogen informieren kann – wenn ich das will.

Trotzdem steigt das Unbehagen – woran liegt das?

Evolutionär gesehen ist es vermutlich sinnvoll, dass wir Negatives und Extremes besonders stark wahrnehmen. Die Information über das Raubtier im Busch hinter mir ist für mein Überleben eben definitiv wichtiger als die über die hübschen Blumen vor mir. Nachdem alle Medien um unsere vergleichsweise knappe Aufmerksamkeit kämpfen, ist es daher verlockend, vorwiegend Extremes und schlechte Nachrichten zu senden. Motto: „Good news are no news.“ Bad News werden dagegen gierig geklickt, geteilt und kommentiert.

Insbesondere im Fernsehen wird oft zugespitzt und übertrieben. Das gilt erst recht fürs Internet und die sozialen Medien. Dort erzeugen immer neue Zuspitzungen (und auch gezielte Fehlinformationen/Fake News durch diverse Akteure) eine Erregungswelle nach der anderen.

In den Internet-Frühzeiten schwärmte man von der Demokratisierung der Information und den Segnungen der Schwarmintelligenz. Inzwischen haben wir festgestellt, dass der Schwarm auch jede Menge Vorurteile, Lügen, Unterstellungen, Aggressionen, Sexismus, Rassismus und dergleichen zu bieten hat und sie mit Begeisterung im Netz verteilt.

Die Netzwerke filtern zwar manches aus, was zu heftig ist. Aber den Filter einer qualifizierten Redaktion und einer Faktenprüfung müssen die „News“ im Netz eben nicht passieren. Ja, wer sich fundiert und faktenbasiert informieren möchte, ist mit der guten alten Zeitung sicher besser bedient.

Die Filterblase gibt es nicht nur im Internet

Trotzdem kann man auch als regelmäßiger Zeitungsleser in einer Echokammer landen. Das sehe ich immer wieder an den Leserbriefen in unserer Regionalzeitung, die ich gerne und aufmerksam lese. Wie oft habe ich zum Beispiel zum Thema Flüchtlinge sinngemäß gelesen: „Wir wollen diese Menschen hier nicht haben. Das sehe nicht nur ich so, alle meine Freunde denken genauso.“

Komisch, habe ich dann immer gedacht: Alle meine Freunde sehen das völlig anders und sind Flüchtlingen gegenüber aufgeschlossen und hilfsbereit – so wie ich.

Meine Eltern sind der Überzeugung, das Leben sei in den letzten Jahren viel gefährlicher geworden, weil die Zahl der Messerstechereien und Einbrüche so zugenommen habe. Schließlich lese man darüber so viel in der Zeitung, die Nachbarn hätten das auch gesagt und erst neulich sei dazu eine Sendung im Fernsehen gekommen.

Dass die neueste polizeiliche Kriminalitätsstatistik das Gegenteil belegt (die Zahl der Wohnungseinbrüche beispielsweise lag 2018 um 16,3 Prozent niedriger als 2017, die der Raubdelikte um 5,4 Prozent), erstaunte sie sehr. Dabei stand das neulich auch in der Zeitung – aber ihr aufs Negative gepolte Filter hatte das ausgeblendet.

Wie geht es denn raus aus der Filterblase?

Zum einen durch die bewusste Nutzung von Qualitätsmedien (öffentliche Fernseh- und Radiosender, überregionale Tages- und Wochenzeitungen) und die gesunde Skepsis gegenüber skandalisierenden Behauptungen, die durchs Internet geistern. Wenn eine solche Behauptung in keinem Qualitätsmedium bestätigt wird, heißt das eben nicht, dass diese Medien alle gelenkt sind und sich absprechen. Sondern dass die Behauptung aller Wahrscheinlichkeit nach nicht stimmt.

Ansonsten ist der Weg aus meiner persönlichen Blase ganz einfach: Ich muss nur dahin gehen, wo Menschen anzutreffen sind, die mir in Alter, Bildungsstand und Lebensweise nicht ähnlich sind. Meistens genügt es dann, zuzuhören bzw. mitzulesen.

Das kann ich im Internet tun, wenn ich Kommentare und Diskussionen zu Zeitungsartikeln oder Videos mit politisch strittigen Themen verfolge.

Noch besser gelingt es aber im richtigen Leben: Ich werde beispielweise immer wieder mit für mich neuen Dingen und mit gegensätzlichen Meinungen konfrontiert, wenn ich als Lokalberichterstatterin für unsere Regionalzeitung zu Vorträgen, Bürgerversammlungen oder Gemeinderatssitzungen gehe. Das könnte ich natürlich genauso tun, wenn ich „nur“ als Bürgerin dabei wäre, nicht als Journalistin.

Oder wenn ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs bin und aufmerksam zuhöre, was die Leute miteinander oder am Handy so reden. Die bunte Mischung an Mitreisenden ist einer der großen Vorteile am Reisen mit der Bahn – natürlich nur, wenn man nicht die ganze Zeit Kopfhörer aufhat und sich in seine Privatblase zurückzieht.

Als meine Kinder noch kleiner waren, habe ich auf Elternabenden im Kindergarten und in der Grundschule einen Eindruck von der gesellschaftlichen Vielfalt in unserem Marktflecken bekommen. Es waren halt der ganz normale Kindergarten und die ganz normale Grundschule, keine irgendwie besonderen Institutionen für Gleichgesinnte. Manche Diskussionen um irgendwelches Pillepalle kamen mir ziemlich grotesk vor, aber ich habe viel darüber gelernt, wie unterschiedlich Menschen ticken.

Draußen ist das Leben bunter

Ich suche also bewusst den Kontakt zu Menschen, die mir unähnlich sind. Manchmal diskutiere ich mit Andersdenkenden, manchmal lese ich nur mit bzw. höre nur zu. Das kann lustig sein oder lehrreich oder auch mal nervig. Manchmal gehe ich einfach wieder, denn ich muss mir nicht jeden Blödsinn anhören.

Am Ende liegt es eben an mir selbst, ob ich in meiner kuscheligen Filterblase bleiben oder mich auch mal rauswagen will. Ich bin lieber öfter draußen.

Wie ist das bei Ihnen?

Zu diesem Text hat mich Verena inspiriert, die auf ihrem Blog Fine Skill zu einer Blogparade zum Thema „Wie entkomme ich der Filterblase?“ aufgerufen hat.

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