Ein gutes und wirksames Zeitmanagement ist für die meisten Berufstätigen wichtig, besonders aber für Selbstständige. Auch wenn ich gelegentlich damit kokettiere, dass selbstständig zu arbeiten eben heiße, selbst und ständig zu arbeiten, dürfen Solo-Unternehmer und Freiberufler genau das nicht tun. Jedenfalls nicht dauerhaft. Das wäre nämlich der sichere Weg in die Überforderung, den Burnout und die Pleite.
Unsere Lebenszeit ist kostbar. Wir sollten gut überlegen, wie wir sie verbringen möchten. Die meisten Selbstständigen haben (wie ich) das Privileg, einen Beruf ausüben zu dürfen, den sie lieben. Da schaut man natürlich nicht in erster Linie auf den Stundenzettel und die Work-Life-Balance verträgt einen größeren Anteil an „Work“.
Aber viel zu arbeiten ist auch für Selbstständige kein Wert an sich. Man muss vor allem die eigene Produktivität im Blick behalten: Niemand kann 40 oder 50 Stunden die Woche durchgehend konzentriert und produktiv sein. Also kommt es darauf an, klug und effizient zu arbeiten. Sich auf die Dinge zu konzentrieren, die erfolgsentscheidend sind und diese mit voller Kraft zu erledigen. Nicht so Wichtiges auch mal hintanzustellen und sich zwischendrin lieber eine Stunde für einen Spaziergang zu gönnen, der den Kopf freimacht. Diese Priorisierung ist oft gar nicht so einfach, vor allem, weil die dringenden Aufgaben sich im Alltag so oft vor die wichtigen schieben.
Prioritäten setzen, Aufgaben planen, mit Zeit und Kraft realistisch umgehen – dafür brauchen wir ein vernünftiges Zeitmanagement. Und wen würden Sie am ehesten fragen, wie man ein solches Zeitmanagement auch tatsächlich hinbekommt?
Genau: Erfahrene Selbstständige, die sich seit Jahren erfolgreich auf dem Markt behaupten und wissen, was funktioniert und was nicht. Vier solche Experten habe ich gebeten, ihre besten Tipps aufzuschreiben und weiterzugeben. Hier sind sie:
Tipp 1: Prioritäten setzen – Zeit für Wichtiges „blocken“
Meine Mandanten – im Schwerpunkt Ärzte und Zahnärzte – lernen in ihrem Studium viel über Medizin, aber fast nie etwas über Betriebswirtschaft. Deshalb vermittle ich meinen Mandanten, dass sie sich aktiv um betriebswirtschaftliche Themen kümmern müssen. Von denen hängt nämlich der wirtschaftliche Erfolg einer Praxis im Wesentlichen ab.
Da niemand Betriebswirtschaft einfach in 5 Minuten lernt und ausübt, empfehle ich, sich dafür „Unternehmerzeit“ zu blocken. Das heißt: Sie sollten sich wöchentlich einen Termin von ein bis zwei Stunden reservieren, der strikt eingehalten wird. Er wird weder für Patienten noch für Mitarbeiter oder andere wichtige Personen verschoben.
Wofür Sie diese „Unternehmerzeit“ brauchen: Für das Erstellen einer Prioritätenliste, die (Weiter-)Entwicklung der eigenen Vision, den Soll-Ist-Abgleich der eigenen Planung mit den aktuellen Ergebnissen, die Analyse betriebswirtschaftlicher Auswertungen oder andere wirtschaftliche Themen.
Noch ein Umsetzungs-Tipp: Da wir Menschen ungern Dinge tun, bei denen wir wenig Erfahrung und Routine haben, hilft es, sich ein angenehmes Umfeld zu schaffen. Deshalb kann diese Unternehmerzeit auch gerne in einer ruhigen Ecke im Lieblings-Café stattfinden. Oder im Park mit Kopfhörern und Musik. Einfach in einem Umfeld, indem Sie sich gerne aufhalten. Das erleichtert es Ihnen, diese Unternehmerzeitauch tatsächlich einzuhalten.
Tipp 2: Mehr Produktivität durch morgendliche Routine
Da ich normalerweise ein zeitloser und kreativ-chaotischer Mensch bin, brauche ich ein System, mit dem ich meinen beruflichen Alltag als Online-Handwerkerin organisieren und trotzdem genügend Zeit und auch einen freien Kopf für Familie, Freunde und Hobbys haben kann. Morgendliche Routine ist mein Schlüssel zu mehr Zeit, mehr Konzentration und letztendlich zu mehr Produktivität. Mein Zeitmanagement beginnt in der Früh mit dem ersten Schritt am Schreibtisch.
1. Denkweise, Haltung und Ziele manifestieren
Ob wir gut gelaunt sind oder ob wir genervt den Tag starten, ob wir unser berufliches Ziel verfolgen oder nur Jobs abarbeiten, ob wir uns im Kleinklein verlieren oder eine Vision im Kopf haben – unsere Einstellung und unsere Gedanken bestimmen unser Handeln und Empfinden.
Mein Motto ist: Placebo für den ganzen Tag. Deshalb schreibe ich mir als erste Routine am Tag eines meiner längerfristigen Ziele auf. (Beispiel: Ich möchte auch im Alter noch neugierig auf das Leben sein. Oder: Ich möchte in 10 Jahren mit 1800 Euro Rente aufhören zu arbeiten). Nach diesem Ziel bestimme ich die Prioritäten über den Tag: Bringt mich eine Arbeit, ein Gespräch, ein Kontakt diesem Ziel näher, oder entferne ich mich damit von dem, was ich wirklich will? Wenn man klar weiß, was man möchte, dann verzettelt man sich nicht so leicht im Alltag.
2. Der Starter-Kaffee
Vor dem eigentlichen produktiven Arbeitsbeginn gönne ich mir eine Tasse Kaffee. Lasse meine Gedanken um das Projekt oder die Herausforderung kreisen, ohne konkret zu werden. Genau genommen ist es ein Starter-steh-Kaffee. Stehen, den Blick in die Weite gerichtet – ja, das hat etwas Meditatives.
3. Zuerst dem Nervkram erledigen
Zu meiner morgendlichen Routine gehört das Abarbeiten von nicht erledigten To-Dos. Bevor ich am Abend das Büro verlasse, schreibe ich alle Arbeiten auf, die nicht erledigt wurden. Dieser Liste gehört meine erste Stunde. Und es ist ein gutes Gefühl, endlich den Nervkramberg bezwungen zu haben.
4. E-Mail-Check nach dem Prinzip der heißen Kartoffel
E-Mails stehlen unglaublich viel Zeit. Deshalb behandle ich sie wie eine heiße Kartoffel und nehme sie nur einmal kurz zur Hand. Ich treffe eine schnelle Entscheidung anhand des Absenders und des Betreffs: Papierkorb oder Bearbeiten. Bearbeitet wird sofort, und dann kommt die E-Mail in den passenden Ordner. So ist mein Posteingang immer leer, und vermittelt mir das gute Gefühl, dass alles erledigt ist.
5. Volle Konzentration ohne Ablenkung
Kein Aufploppen von E-Mail-Benachrichtigungen, keine Pushnachrichten von Facebook und Co., keine unnötig geöffneten Internetseiten – das ganze Plingpling zieht unsere Aufmerksamkeit magisch an. Deshalb: Alles ausschalten, was ablenkt!
Danke Barbara, dass ich bei Deinem Zeitmanagementprojekt dabei sein durfte. Das Thema wurde bei mir dadurch wieder präsent. In diesem Zuge habe ich mich gleich von einer Effizienz-App verabschiedet und bin zum guten alten Zettelblock zurückgekehrt. Der funktioniert zuverlässig und ist besser für meine Selbstdisziplin.
Die Quintessenz zum Zeitmanagement lautet für mich: Was gut funktioniert und Freiraum schafft, sollte in einen Rahmen gepackt werden. Mit konsequenter Umsetzung wird daraus eine Routine, die viel Zeitverplemperei und Energie spart.
Tipp 3: To-dos – Schreib es auf!
Dass von mir als Texterin, Redakteurin und Lektorin der Tipp „Schreib es auf“ kommt, ist vermutlich wenig erstaunlich. Aber Aufgaben, Informationen, Absprachen etc. aufzuschreiben ist meiner Meinung nach der Schlüssel zu mehr Effizienz. Je mehr ich aufschreibe, desto mehr schaffe ich.
Für mein Zeitmanagement bedeutet das vor allem: Ich schreibe auf, welche Aufgaben konkret am jeweiligen Tag anstehen. Das mache ich entweder am Vortag, bevor ich Feierabend mache, oder morgens ganz früh. Dafür verwende ich ein – nur ein einziges – DIN A4-Blatt, einen dicken, schwarzen Filzstift, einen Marker und eine große Schrift.
Je nachdem, wie viele sonstige Termine anstehen, wird die tägliche Liste kürzer oder länger. Mehr als sechs bis sieben Punkte passen aber nicht auf das Blatt und mehr einzuplanen ist meiner Erfahrung nach nicht realistisch.
Was landet auf der Liste?
Vor allem Aufgaben, die meine wichtigsten Projekte vorantreiben! Bei denen will und muss ich dranbleiben. Außerdem notiere ich sehr früh fristengebundene Aufgaben. Die muss ich ja ohnehin irgendwann erledigen und je früher ich sie angehe, desto eher verhindere ich, dass sie dringend werden. Alles, was dringend erledigt werden muss, hindert mich daran, meinen Tag so zu planen, wie ich es will. Dringendes zwingt mir Aufgaben auf, sodass ich nur noch reagieren kann. Ich versuche daher, den Anteil an dringenden Tätigkeiten so weit wie möglich zu reduzieren.
Oberste Priorität oder Lückenfüller?
Aus dieser Liste wähle ich eine bis drei Aufgaben (je nachdem, wie lange sie voraussichtlich dauern werden und wie viel Zeit mir zur Verfügung steht) aus, die ich an diesem Tag in jedem Fall erledigen will, und markiere sie dick mit einem Marker. Das sind die Aufgaben der obersten Priorität. Selbst wenn ich nur diese markierten Aufgaben schaffe, war der Tag erfolgreich. Die anderen Aufgaben dienen als Lückenfüller, wenn ich die markierten Aufgaben erledigt habe und noch Zeit übrig sein sollte.
Diese Liste mit den dick und auffällig notierten Aufgaben liegt den ganzen Tag auf meinem Schreibtisch, sodass ich sie immer gut im Blick habe. Wenn nicht etwas sehr Ungewöhnliches passiert, sind am Abend die hochpriorisierten Aufgaben erledigt. Und die anderen Aufgaben meist auch. Wenn nicht, schiebe ich sie um einen Tag weiter.
Mit solchen Aufgabenlisten arbeite ich mittlerweile seit fast zwanzig Jahren erfolgreich. Ich habe zwischenzeitlich immer wieder mal andere Mittel ausprobiert, aber nichts hat auf mich eine so disziplinierende Wirkung wie eine fette, schwarze Schrift und eine gelbe Markierung!
Tipp 4: Auf das Weglassen kommt es an!
Alles erledigt? Kommt selten vor, oder? Meistens sind die To-do-Listen länger als die Tage – und da kommt gutes Zeitmanagement ins Spiel. Die Tipps, die Sie hier bisher gelesen haben, sind sehr wichtig für eine gute Organisation und ein gutes Zeitmanagement. Aber oft wird im Arbeitsalltag ein ganz einfaches und sehr effektives Mittel vernachlässigt: das Weglassen.
Am Ende des Tages haben wir ja oft zwangsläufig etwas weggelassen. Aber wäre es nicht viel schöner, sich gleich nur um die erforderlichen Dinge zu kümmern? Prüfen Sie deshalb immer wieder, was Sie täglich erledigen. Auch im Arbeitsalltag gibt es so manche Tätigkeit, die wir einfach weiterführen, ohne darüber nachzudenken, ob der ursprüngliche Sinn überhaupt erfüllt wird.
Mein Tipp lautet daher:
Erstellen Sie eine Not-to-do-Liste – eine Liste für Tätigkeiten, die Sie zukünftig nicht mehr tun wollen.
Hier ein paar Beispiele, was auf Ihrer Not-to-do-Liste stehen könnte:
- Listen weiterführen, die in der Vergangenheit dann doch nicht für Auswertungen benutzt wurden,
- Kunden weiter anrufen, obwohl sie auf E-Mails und Anrufe nicht mehr reagieren,
- Ja sagen und Nein meinen,
- auf Pausen verzichten,
- unnötig viel Zeit im Internet verbringen,
- kleine Dinge nicht sofort entscheiden,
- immer erreichbar sein,
- To-do-Listen und Not-to-do-Listen zu ernst nehmen. 😉
Wirksames Zeitmanagement ist im Grunde einfach
Die Grundprinzipien sind für jeden dieselben: Priorisieren,planen, Routinen schaffen, To-dos gezielt abarbeiten (oder endgültig streichen). Wie Sie diese Prinzipien im Einzelnen ausgestalten, bleibt aber Ihren individuellen Vorlieben und Bedürfnissen überlassen.
Zu meiner Morgenroutine gehören zum Beispiel eine große Tasse Tee und der schnelle Blick durch die Online-Zeitungen. Auch ich liebe To-do-Listen auf Papier, auf die ich dicke schwarze Haken machen kann. Wenn Sie lieber mit Online-Helferlein arbeiten, ist das aber genauso gut. Sie sollten nur bedenken, dass man sich mit Apps und Co. noch mehr verzetteln kann als mit echten Zetteln, weil sie sehr schnell mehr Zeit fressen als gedacht.
Welche dieser Tipps beherzigen Sie schon, welche möchten Sie ausprobieren? Schreiben Sie mir von Ihren Erfahrungen. Oder gibt es einen Tipp zum Zeitmanagement, der für Sie gut funktioniert, den Sie hier aber nicht gefunden haben? Dann freue ich mich ebenfalls auf Ihren Kommentar.
Eng verbunden mit einem wirksamen Zeitmanagement sind auch ein gutes Selbstmanagement und natürlich eine gewisse Ordnung im Büro. Vielleicht interessieren Sie dazu folgende Posts:
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Die Tipps finde ich super! Besonders wichtig finde ich es, bestimmte „Aufgaben“ komplett zu eliminieren. Selbstständige haben so viel um die Ohren, da muss man einfach selektiv sein.
Ich schreibe bei Debitoor für Freelancer, Kleinunternehmer und Selbstständige und habe mich vor kurzem mit dem Thema Zeitmanagement beschäftigt. In meinem Blogbeitrag bin ich auch zu dem Schluss gekommen, dass man sich auf weitreichende Ziele – ich nenne es die „Mission“ – konzentrieren und dementsprechend Prioritäten setzen sollte.
Was ich besonders interessant finde, ist das sogenannte Aufmerksamkeitsmanagement. Bestimmte Parallelen zum Zeitmanagement gibt es dabei natürlich, aber besonders interessant finde ich die Strategie, Störfaktoren zu beseitigen, um seine Aufmerksamkeit zu fördern. 🙂
[…] „virtuelle“ Kollegin Barbara Kettl-Römer hat Tipps für ein wirksames Zeitmanagement zusammengetragen. Auch diese Tipps finde ich sehr nützlich und habe sie deshalb für Sie […]