Das Geld, das man besitzt, ist das Mittel zur Freiheit, dasjenige, dem man nachjagt, das Mittel zur Knechtschaft.
Das wusste schon Jean-Jacques Rousseau, und daran hat sich seit Rousseaus Zeiten wenig geändert: Für Menschen ohne auskömmliches Einkommen gibt es in unserer Gesellschaft zwar ein Mindestmaß an sozialer Sicherheit, dafür aber wenig Freiheit für die eigene Lebensgestaltung. Das ist kein Grund, das Geld anzubeten und ihm alles unterzuordnen. Aber es ist einer, sich mit dem Thema zu beschäftigen und dafür zu sorgen, dass das Geld seinen Zweck als Mittel für die Daseinsgestaltung so gut wie möglich erfüllt. Deswegen sollte jeder, der irgendwie in der Lage dazu ist, Geld nicht nur „auf die hohe Kante legen“, damit es da herumliegt, sondern es so anlegen, dass es sich vermehrt und dauerhaft mehr finanzielle Freiheit ermöglicht. Das gilt selbstverständlich für Männer und für Frauen gleichermaßen.
Warum kümmern sich dann Frauen so wenig bis gar nicht um das Thema Geldanlage?
Frauen und Geldanlage: Was stimmt hier nicht?
Geldanlage scheint zumindest in Deutschland Männersache zu sein. Warum nur? Diese Frage beschäftigt mich schon länger. Einige Beobachtungen aus jüngster Zeit haben mich zu diesem Text angeregt:
Phänomen 1: Frauen geben das Geld aus, Männer legen es an
In den meisten Familien, die ich kenne, verwalten die Frauen das Haushaltsgeld. Sie teilen es ein, geben es für die Dinge des täglichen Bedarfs aus, recherchieren nach günstigen Preisen und Finanzierungen für größere Anschaffungen und freuen sich, wenn sie am Monatsende etwas übrig haben und sparen können.
Das Ersparte wird dann für den Urlaub oder größere Anschaffungen verwendet. Aber wenn es darum geht, Geld anzulegen und etwas für die eigene Altersvorsorge zu tun, sind dieselben (überwiegend berufstätigen) Frauen plötzlich sehr zögerlich. Darum kümmern sie sich gar nicht bzw. überlassen das Thema ihren Männern. Bestenfalls haben Frauen eine (kleine) Lebensversicherung abgeschlossen und/oder einen Vertrag über vermögenswirksame Leistungen. Das gemeinsame Geld ist am ehesten als Festgeld angelegt.
Phänomen 2: Frauen sind bei Anlegerveranstaltungen unterrepräsentiert
Dieses Jahr habe ich einen Vortrag auf dem Börsentag in München gehalten. Von insgesamt 104 Referenten waren gerade einmal 7 (!) Frauen. Haben Frauen etwa über Geld nichts zu sagen?
Die Besucher des Börsentags waren zu mindestens zwei Dritteln männlich. Dasselbe Bild ergab sich in Bezug auf die Besucher und die Vortragenden, als ich die Berichterstattung von der Messe Invest in Stuttgart verfolgte.
Ist Geld etwa ein Thema, das Frauen langweilt?
Phänomen 3: Frauen meiden Aktien
Laut der Gothaer Anlegerstudie 2017 spielt die Rendite für Frauen bei der Geldanlage kaum eine Rolle. Das heißt: Sogar diejenigen Frauen, die selbst Geld anlegen, orientieren sich nicht an einer möglichst hohen Verzinsung, sondern vor allem an der (vermeintlichen) Sicherheit einer Anlage.
Laut dieser Studie besitzen nur 14 Prozent der Anlegerinnen Fonds oder Einzelaktien (bei den Männern sind es immerhin 21 Prozent). 84 Prozent der befragten Frauen sind grundsätzlich nicht dazu bereit, Geld in Aktien oder Fonds zu investieren, weil ihnen das zu riskant ist. Leider gibt es halt bei den „sicheren“ Geldanlagen eine so niedrige Verzinsung, dass das angelegte Geld bei Berücksichtigung der Inflationsrate an Wert verliert, statt sich zu vermehren.
Phänomen 4: Frauen kaufen aber auch kein Gold
Auf dem Portal gold.de stieß ich auf einen Artikel mit dem Titel Gold als Geldanlage interessiert Frauen nicht. Darin findet sich eine Grafik mit dem provokanten Titel Ist Gold zu wenig pink? Aus ihr geht hervor, dass von den Menschen, die über das Preisvergleichsportal Gold kaufen, nur 15 Prozent Frauen sind.
Nun kann man durchaus darüber streiten, wie nützlich Gold als Anlageobjekt ist. Ich persönlich sehe es eher als werterhaltenden Sicherheitsbaustein im Anlagemix denn als Renditeobjekt oder Element der Altersvorsorge. Aber wie kann es sein, dass Frauen in einer Zeit, in der viele Anleger verunsichert sind und Sicherheitsanker suchen, praktisch keine Goldbarren oder -münzen kaufen?
Warum nur interessieren Frauen sich nicht für Geldanlage?
Denn das ist der Schluss, den ich aus meinen Beobachtungen gezogen habe: Viele Frauen wollen sich einfach nicht mit Finanzfragen, Altersvorsorge und Geldanlage beschäftigen. Und zwar offensichtlich vor allem deswegen, weil sie das Thema für langweilig, unsexy, unweiblich (?), inhaltlich schwierig oder irgendwie moralisch minderwertig halten. Gehen Frauen und Geldanlage also einfach nicht zusammen?
„Geht nicht“ gilt nicht!
Nun werden manche einwenden, das seien Vorurteile. Das mangelnde Interesse liege schlicht daran, dass Frauen heute immer noch weniger Geld verdienen als Männer und deswegen keines zum Anlegen übrig hätten. Insbesondere die Alleinerziehenden, von denen ja der Löwenanteil weiblich ist, tauchen regelmäßig an der Spitze der Armutsgefährdeten auf. Klar, dass die weder Gold noch Aktien kaufen.
Das stimmt natürlich. Einerseits.
Andererseits sollte gerade das Wissen darum, dass heute viele Partnerschaften und Ehen scheitern, dazu führen, dass Frauen sich nicht vertrauensselig in das Mutter- und Hausfrauendasein stürzen, ohne finanziell vorzusorgen bzw. mit ihrem Partner einen Ausgleich auszuhandeln.
Ein Mann ist keine Versicherung und keine Altersvorsorge!
Grundsätzlich ist es zu empfehlen, dass Frauen auch als Mütter wenigstens in Teilzeit Geld verdienen und den Kontakt zur Arbeitswelt halten. Das allein ist aber nicht genug. Wenn einer der Partner die unbezahlte Familien- und Hausarbeit zum Löwenanteil oder gar vollständig übernimmt, sollte er dafür kein Taschengeld erhalten, sondern einen gerechten Anteil am Haushaltseinkommen. Einen Teil davon sollte er – bzw. sie, denn meist wird der nicht oder wenig berufstätige Partner die Frau sein – für sich selbst anlegen. Ganz besonders, wenn die Partnerschaft ohne Trauschein gelebt wird. Und davon wiederum am besten einen Teil in Aktienfonds, der höheren Rendite wegen.
Echten Wertzuwachs gibt es am einfachsten über Aktien
Nach wie vor sind für eine längerfristige Geldanlage Aktienfonds aus Renditegründen unverzichtbar. Mit einer geschickten Auswahl kann man das Risiko begrenzen. Das Wissen darum ist keine Hexerei, das kann frau sich leicht aneignen. Männer werden übrigens auch nicht mit dem entsprechenden Wissen geboren, sie müssen es ebenfalls erst erwerben.
Dazu empfehle ich Ihnen (Männern wie Frauen) zum Beispiel das Standardwerk zum Thema, das die Finanzexpertin Judith Engst mit ihrem Co-Autor Rolf Morrien geschrieben hat:
Börse leicht verständlich: Von der Depot-Eröffnung zum optimalen Depot
(Partnerlink zum Verlag; „Partnerlink“ bedeutet, dass ich für jeden Einkauf, der durch einen Klick auf diesen Link zustande kommt, eine kleine prozentuale Beteiligung bekomme. Diese dient mit zur Finanzierung der Kosten, die mir durch dieses Blog entstehen.)
Erschienen ist es im November 2016 in der mittlerweile 6. Auflage im FinanzBuch Verlag. Spätestens nach dieser Lektüre oder der eines ähnlichen Einsteigerwerkes dürfte klar sein: Es ist weder für Frauen noch für Männer besonders schwierig, ein Depot zu eröffnen und sinnvoll zu bestücken.
Frauen und Geldanlage passen genauso gut zusammen wie Männer und Geldanlage. In Sachen Altersvorsorge vielleicht sogar besser. Tendenziell gehen Frauen nämlich mit kühlerem Kopf zu Werke und geben nicht so leicht ihrem Spiel- bzw. Zockertrieb nach wie Männer. Ich kenne auch Fälle, in denen Männer aus einer gewissen Selbstüberschätzung heraus eine Menge Geld mit Finanzderivaten „verspielt“ haben. Das ist natürlich ihr Privatvergnügen, wenn sie es mit ihrem eigenen Geld tun, aber nicht mehr, wenn es das gemeinsame Ersparte ist oder das, das sie im Auftrag ihrer Frauen für diese (mit-)verwalten.
Auch Riester tut Frauen richtig gut
Ich selbst „riestere“ nicht, weil ich auch mit kleinen Kindern durchgehend berufstätig war und auf andere Weise vorsorge. Aber gerade Frauen mit familienbedingten Jobpausen und/oder geringem Verdienst können von der viel geschmähten Riester-Rente enorm profitieren. Nicht unbedingt von den renditeschwachen Riester-Lebensversicherungen oder den unflexiblen Wohnriester-Verträgen. Aber es gibt inzwischen Angebote, die eine Anlage in Aktienfonds mit geringen Verwaltungskosten ermöglichen. Sie müssen sie nur nutzen!
Dazu ein Beispiel aus meiner eigenen Familie
Meine 19-jährige Tochter hat gerade ihren Riestervertrag bei fairr.de abgeschlossen, wo es einen Riester-ETF gibt. (Ein ETF ist ein Fonds, der nicht aktiv von einem Fondsmanager gesteuert wird, sondern der Bewegung eines Korbs an Aktien automatisch folgt und deswegen niedrigere Kosten hat.) Da sie derzeit Praktikantin ist und danach eine Ausbildung macht, bekommt sie für 60 Euro Eigenanteil im Jahr eine staatliche Grundzulage von 154 Euro plus den einmaligen Berufseinsteigerbonus von 200 Euro. Sie hat also 60 Euro eingezahlt und bekommt dafür 414 Euro (abzüglich der Verwaltungskosten) auf ihrem Riesterkonto gutgeschrieben.
Wenn sie später einmal zwei Kinder hat und in Elternzeit oder noch länger zuhause ist, gibt es neben der Grundzulage je Kind weitere 300 Euro Kinderzulage. Das heißt: Selbst wenn sie gar kein Geld verdient und nichts selbst ansparen kann, landen mit einem Eigenanteil von 60 Euro im Jahr (und den kann jede Frau aufbringen!) 814 Euro auf ihrem Altersvorsorgekonto. Da das Geld überwiegend in Aktien angelegt wird, kann sie von einer deutlich höheren Rendite profitieren als es bei anderen Anlageprodukten der Fall wäre.
Ganz freiwillig war der Entschluss übrigens nicht …
Natürlich hat sich meine Tochter nicht von sich aus mit dem Thema beschäftigt, sondern weil ich sie dazu angestiftet und gedrängt habe. Sie hat zwar über die vielen Formulare gestöhnt, ist aber nun doch ganz froh über ihren Vertrag.
Es macht halt auch ein bisschen Mühe, sich um sein Geld und seine Altersvorsorge zu kümmern. Die ist aber gut investiert. Das Thema ist einfach zu wichtig, um es zu ignorieren bzw. den Männern zu überlassen! Frauen tut eigenes Geld genauso gut wie Männern, Frauen und Geldanlage können ein perfektes Paar werden – wenn Frauen sich endlich ernsthaft damit beschäftigen!